
Vier androgyne Reiter bewegen sich in einer Art Prozession von rechts nach links durch das Bild. Obgleich ihre Pferde kraftvoll sind, scheinen sie kaum den Boden zu berühren, sie schweben gleichsam, so wie die Sidhe unsere Welt nur wenig berühren. Immer wieder heißt es, sie seien unterwegs zu einem Beltane-Fest, um die Menschen zu lehren. Ob diese Interpretation von John Duncan selbst stammt, oder späteren Datums ist, lassen wir mal offen, doch sie passt zum augenblicklichen Aufbruch der Sidhe in unsere Wirklichkeit.

Die vier Reiter – fast erscheinen sie wie die Antipoden der vier apokalyptischen Reiter, sie symbolisieren also nicht das Ende der Welt, sondern deren Neubeginn – tragen vier magische Objekte in ihren Händen. Von links nach rechts: Einen Baum, eine gralsartige Schale, ein Schwert (und Schild) und einen Stein. Fast sind sie Spiegel der 4 magischen Artefakte, mit denen die Tuatha de Danann (wie die Sidhe einst hießen) in Verbindung stehen: Der Stein von Falias (der bei der Berührung durch einen wahren König aufschreit), das Schwert des Nuada (das Eisen durchschneiden konnte und immer traf) und der Kessel des Dagda (der ewig Speisen gebiert und verwundete Krieger heilt und verjüngt). In diesen Artefakten spiegeln sich gleichsam die 4 Elemente Erde (Stein), Luft (Schwert), Wasser (Schale) und Feuer (Speer) wieder. Doch im Bild scheint der Speer durch einen Lebensbaum ersetzt zu sein. Der Tod wurde durch das Leben ersetzt. Lanze und Baum gemein ist jedoch die inhärente axis mundi, die die Welten verbindet. Wenn der Baum hier nun die Lanze ersetzt, dann ist ihm doch das Feuer zu eigen, in diesem Falle das Seelenfeuer, das die Sidhe hüten und bewahren.
Die vier Reiter bewegen sich vor einem mythisch-vergeistigten, ätherisch-blauen Hintergrund, der Anderswelt. Hier fliegen 3 bunte Vögel, die Körper, Geist und Seele repräsentieren. Auch diese sind den Sidhe zu eigen, wenn auch ihr Körper nicht dem unseren gleicht und weniger stofflich ist. Ebenso fliegen hier 24 taubenartige Vögel. Die Taube – im Christlichen Symbol des heiligen Geistes – also des Schöpfungsprinzipes, so, wie die Sidhe, die Lichten Ahnen, durch ihr Wirken in der Natur die Schöpfung erträumen. Vierundzwanzig, für jede Stunde des Tages eine: Nur ihr unaufhörliches Träumen erhält unsere Realität.
Sie reiten in Richtung einer Frau am linken Bildrand. Ist es Dana, die große Göttin, die Mutter der Tuatha de Danann?
So spiegelt das Bild „The Riders of the Sidhe“ von John Duncan die keltische Symbolkraft wider. Es zeigt die Sidhe als in Bewegung, auf Reisen, in der Verbindung der Anderswelt in unsere Raumzeit, als ein Bewusstsein, das zwischen den Welten wandelt. Wir blicken in der Betrachtung des Bildes über die Grenzen des Sichtbaren hinaus in die tiefe Verbindung zwischen Natur, Mythos und Spiritualität.
Bild + Bildausschnitte: The Riders of the Sidhe, John Duncan 1911, gemeinfrei
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