Der Jahreslauf ist ein Kreis. Deshalb ist es Interpretationssache, wann in diesem Kreis eine Zäsur gesehen wird, die als „Ende“, bzw „Anfang“ interpretiert werden kann.
In Europa wurde jahrhundertelang an sehr verschiedenen Tagen Neujahr gefeiert. Schon um 700 n. Chr. war es in Rom üblich, den 1. Januar als Marienfest zu feiern: Natale sanctae Mariae. Nach der Reformation ließ Martin Luther das Jahr der reformatorischen Kirche mit dem 25. Dezember beginnen und wollte den 1. Januar nur als „Tag der Beschneidung und Namensgebung des Herrn“ gefeiert haben. Nach 1550 machten ihn andere Reformatoren (Melanchthon, Brenz) zum christlichen Neujahr.
Das chinesische Neujahrsfest 春節 / 春节 wird stets an Neumond gefeiert und fällt daher wechselnd auf ein Datum zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar. Das Fest, das mit zu den größten chinesischen Festtagen zählt, wird mit bunten Umzügen gefeiert, in deren Mittelpunkt ein Drachentanz steht.
In Vietnam wird Neuhjahr „Fest des erstens Morgens“ - Tết Nguyên Đán - genannt und ist der wichtigste vietnamesische Feiertag. Das fest wird drei Tage lang ab dem chinesischen Neujahr gefeiert. Vietnamesen besuchen zu Tết ihre Familie und die Tempel, es werden eigene Festspeisen zubereitet. Tết markiert gleichzeitig den Frühlingsbeginn.
Das tibetische Neujahrsfest Losar beginnt mit dem ersten Frühlingsmonat, wobei die hierbei angewandten lunaren Monate die Zeit von Neumond zu Neumond bezeichnen. Damit das Jahr immer zum Frühlingsanfang beginnt, ist der tibetische Kalender ein Lunisolar-Kalender, d.h.dem Sonnen-Jahr angepasst, manche Jahre dauern daher 13 statt 12 Monate.
Im Hinduismus wird Bikarami Samvat gefeiert, die „Geburt des Jahres“. Es ist der erste Tag des Chaitram, dem ersten Monat des hinduistischen Mondkalenders.
Die Juden feiern Rosch ha-Schana - „Kopf des Jahres“ – als Neujahrsfest. Es liegt, im September oder der ersten Oktoberhälfte. An diesem Tage wird der Schöpfung gedacht. Fromme Juden sprechen ein Gebet und essen abends einen in Honig getränkten Apfel. Symbol für ein "süßes" kommendes Jahr. Am Neujahrstag begrüßt man sich mit dem Wunsch "Du mögest für ein gutes Jahr eingeschrieben sein".
Das altiranische Neujahrsfest in Iran, Afghanistan, Tadschikistan wird „Neuer Tag“ (No-rouz) - aus der Zeit der Sassaniden z.T. bis heute gefeiert. Dieses Neujahrsfest ist auf den Frühlingsbeginn (21. März) festgelegt.
Das islamische Neujahr (1437 n.H.) liegt 2015 am 14. Oktober. Nach der abendländischen Zeitrechnung wird das islamische Neujahr über zwei Tage hinweg gefeiert, da dieser Tag – wie jeder andere auch – nach dem islamischen Verständnis mit Sonnenuntergang anbricht und endet. Dieser Tag wird mit traditioneller Blasmusik eröffnet und verkündet, danach wird festlich gegessen. Um die Hoffnung auf ein Gutes Jahr auszudrücken, besteht das Festmahl aus 7 unverzichtbaren, symbolischen Zutaten, die alle mit dem arabischen Buchstaben Sin beginnen: Senjed (Mehlbeere), Samanu (Süßgebäck), Sekeh (Minze), Sabzeh (grüne Weizentriebe), Siib oder Sif (Apfel), Serkeh (Essig) und Sir (Knoblauch). Diese Lebensmittel stehen nach dem islamischen Glauben für Glück, Gesundheit, Fruchtbarkeit und Wohlergehen.
Rituelle Gemeinsamkeit all dieser Feierlichkeiten ist die Zäsur des Jahreskreises. Sie lädt ein zur Rückschau, zum Innehalten und natürlich zu allerlei Prognosen und Zukunftsdeutungen. So unterschiedlich auch die Zeitqualitäten des Jahreslaufs an den verschiedenen Daten sein mögen, die Fokussierung des zeitlichen Neubeginns ist eine starke rituelle Basis für alle Vorhaben, die neu beginnen sollen.
Wir wünschen ein friedliches, gesundes und erfolgreiches 2015!
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